Brahms: Ein deutsches Requiem, neue Klavierfassung

Immer wieder findet man in den Konzertprogrammen den Hinweis, dass die Klavierfassung (zwei Klaviere zu vier Händen) von Brahms selbst sei. Das ist so nicht korrekt. Ich denke, dass das weniger aus Unwissenheit passiert, als aus Gründen der Werbewirksamkeit. Brahms hat den Klavierauszug für das Werk angefertigt; d.h. der Orchesterpart ist für einen Pianisten bzw. Korrepetitor spielbar gemacht worden. Meistens, damit man in den Chorproben das Orchester andeuten kann.

 

Daneben gibt es eine vierhändige Fassung (aber nur für ein Klavier) aus Brahms eigener Hand. Sie ist 1869 bei Rieter-Biedermann erschienen. Diese Fassung war aber eigentlich nie für eine Aufführung gedacht. Sie sollte es den Musikliebhabern ermöglichen, das Werk zu Hause am Klavier zu spielen und kennenzulernen, denn Tonspeichermedien waren noch lange nicht erfunden. Es war eine damals sehr übliche Praxis, die Kompositionen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Deshalb hat Brahms in dieser Fassung auch den Chorpart und die Solistenpartien in den Klaviersatz integriert. Sonst bekäme man als Hausmusikant und Musikliebhaber keinen kompletten Eindruck des Werkes.

 

Zum ersten Mal erklang das Requiem in der Klavierfassung 1871 in London. Daher lautet ihr Beiname auch "englische" oder "Londoner Fassung". Es handelte sich dabei aber sicher nicht um die oben erwähnte vierhändige Fassung, denn das Mitspielen der Solopartien, oder der A-Cappella-Stellen des Chores, wäre unsinnig. So kann man davon ausgehen, dass die Pianisten den Klavierpart entsprechend modifizert hatten.

Die heutzutage gängigen Klavierfassungen sind entweder für zwei Klaviere oder für zwei Klaviere und Pauke bearbeitet. Beide Versionen sind nicht von Brahms eigener Hand.

 

Warum aber nun eine neue Klavierbearbeitung?

 

Ich habe selbst vor einigen Jahren als Pianist bei einer Aufführung der Fassung für zwei Klaviere mitgewirkt. Beim Einstudieren haben wir festgestellt, dass in den mir bekannten Bearbeitungen zahlreiche Chor- und Solistenstellen weiterhin vom Klavier mitgespielt werden. Wenn man nun einfach diese Stellen weglässt, ist der Klaviersatz eine zum Teil sehr unbefriedigende dünne künstliche Version.

Nachdem ich damals etwas provisorisch mit Bleistift und Überklebezettel den Klavierpart umgeändert hatte, habe ich mir diesmal die Mühe gemacht, eine komplett neue Version zu erstellen. Dabei habe ich versucht möglichst genau den Orchesterpart auf die beiden Klaviere zu übertragen, aber trotzdem eine für das Klavier gut spielbare Version herzustellen. Sie ist sicher technisch anspruchsvoller, als die bisherigen Bearbeitungen. Allerdings ist es immer einfacher hier und da etwas wegzulassen, als Fehlendes mühsam aus der Partitur zu ergänzen.

Erstmals gibt es neben der Klavierstimme auch eine vollständige Partitur!